Automuseum Tbilisi
Der Text wurde verfasst von Giorgi Janelidze
Wenn Sie sich in nur einer Halle einen Überblick über die diversen sowjetischen Kopien von westlichen Fahrzeuge verschaffen wollen, dann haben Sie einen weiteren Grund Georgien zu besuchen.
Gründung des Automuseums Tbilisi
Giorgi Mamulashvili (51) ist ein bekannter georgischer Geschäftsmann. Sein Business ist sehr vielfältig und umfangreich, aber die wichtigste Produktlinie ist die im Post-Sowjet-Raum berühmteste Margarine „Datscha“ (Rus. Дача). Das Markenprodukt wird in Russland, Tschechien und Polen in 8 verschiedenen Sorten hergestellt und anschließend in Georgien verkauft. Giorgi hat mehrere Jahre in Russland verbracht. Jetzt lebt er wieder in seiner Heimat Georgien. Als er mich mit seinem nagelneuen Toyota Camry an der U-Bahnstation Avlabari abholt erzählt er mir, dass er Autos schon als Kind sehr gemocht hat, wie die meisten Kinder in der Welt damals. Aber später, in der 90-er Jahren hat eine emotionale Geschichte vieles in seinem Leben verändert.

Eines Tages in den frühen 90ern ist er zu Besuch von Russland nach Georgien gekommen und hat spontan einen sowjetischen Gebrauchtwagen für seinen Vater gekauft. Er ging zum Automarkt und hat gesehen, dass ein alter Mann einen gut gepflegten „Moskvich“ für 1000$ zu verkaufen hatte. Auf seinem Hemd hatte der alte Herr zwei Pins mit den Fotos seiner verstorbenen Söhne als Zeichen der tiefen Trauer befestigt. Giorgi hat sich sofort entschieden, das Auto von dem zerbrochenen Mann zu kaufen, um mit dieser Geste seinen Beistand auszudrücken. Danach kamen dann weitere Fahrzeuge. Ich habe am Anfang nur die Garage gebaut, um meine neuerworbene Oldtimer zu deponieren. Eines Tages, als meine Freunde sich den Fahrzeugbestand ansahen, waren sie total erstaunt und sagten mir, dass es wie ein Museum aussehen würde. Ich habe bis zu diesem Moment keine Idee von einem Museum gehabt. Ich habe lediglich die alten Autos gesammelt und das war´s. Wir haben uns nur an den Wochenenden getroffen und haben Spazierfahrten gemacht. Nachdem ich den ersten Moskvich für meinen Vater gekauft hatte, haben wir angefangen das Auto zu restaurieren. Als ich mir das Ergebnis ansah, war ich sehr stolz und glücklich. Danach haben wir einen Volga gekauft, dann kam Zaporozhets dazu und plötzlich wurden es immer mehr. So hat die Geschichte des Tbilisser Automuseums begonnen, erzählt der stolze 51-jährige.
Giorgi Mamulashvili ist stolz auf seine Oldtimer Die Reihe von fast alle Generationen der Zaporozhets, ZAZ GAZ 4, der erste sowjetische Pickup
Inzwischen besitzt der leidenschaftliche Autoliebhaber bis zu 50 sowjetische Oldtimer. In einer ca. 300 Quadratmeter großen Halle, die er auf seinem Grundstück außerhalb der Hauptstadt in einem Industriegebiet bauen ließ, entstand so das „Automuseum Tbilissi“. Giorgi Mamulashvili hat die Neueröffnung im 2014, im Rahmen der wichtigsten Stadtfest „Tbilisoba“ gefeiert. Automuseumstrasse 7 ist jetzt die offizielle Adresse des Museums, nachdem der Stadtrat in 2014 die kleine, unbewohnte Gasse nach der frischgebackenen Sehenswürdigkeit der Stadt benannt hat. Die neu erworbenen Autos werden auf dem Gelände vom eigenen Team erst restauriert und danach im besten Zustand ausgestellt. Sehr zum Unmut von Giorgi gibt es noch ein Problem, dass die Stadt in kürzester Zeit beheben könnte: Eine ca. 250 m lange Straße zum Museum ist nicht asphaltiert. Aber die Regierung der Stadt hat offenbar überhaupt keine Eile die kleine Straße für die Besucher attraktiver zu machen.
Der Fahrzeugpark des Museums
Der Restaurierungsprozess ist lang und interessant. Inzwischen kommen viele Autoliebhaber aus aller Welt. Die Mehrheit besteht aus Touristen aus dem ehemaligen sowjetischen Raum. Aber auch aus USA, Kanada, EU-Ländern, Australien, Japan und China. Besonders die Chinesen sind von den Sowjetautos begeistert. Sie fühlen sich auch an ihre eigene Geschichte und an die Vergangenheit des kommunistischen Chinas erinnert. Giorgi hat seinen eigenen Favoriten in seinem Autopark. Der GAZ 4 ist der 1933 gebaute erste sowjetische Pickup. Ein Prototyp-Nachbau vom amerikanischen Ford A. Es gibt davon nur noch 5 Stück weltweit. Vier Wagen stehen in Russland. Ich liebe alle Autos hier, aber der GAZ 4 ist das wertvollste und seltenste Fahrzeug in meiner Sammlung. Es wurde im 2. Weltkrieg eingesetzt und die Sowjets haben damit ihre Waffen und Soldaten transportiert. Ein Großteil wurde schon im Krieg vernichtet. Heutzutage ist es schwer diese sowjetischen Fahrzeuge mit Originalteilen zu restaurieren, da es sie nicht mehr gibt. Ich fahre fast jedes Wochenende mit den Fahrzeugen durch verschiedene Regionen des Landes, da die Autos bewegt und an die frische Luft sollten, sagt der Geschäftsmann.

Die Fahrzeuge des Museums sind zum größten Teil sowjetischer Herkunft. Es gibt aber ein BMW Motorrad aus dem Jahr 1928 und einen Mercedes Baujahr 1936. Giorgi besitzt zwar bereits ca. 50 Raritäten, aber die Liste der Sowjetautos die er noch nicht hat, ist noch lang.
Persönliche Geschichten
Seit 2017 wird das Automuseum von Rezo Cheishvili geleitet. Er ist Doktor der Kunstwissenschaften und kennt die Geschichte jedes in der Halle geparkten Oldtimers. Die Geschichten rund um die Fahrzeuge von damaligen Berühmtheiten sind besonders spannend.

Die Autos können nicht sprechen, aber sie sehen alles, sagt der Direktor des Museums: Der GAZ M1 Baujahr 1936 ist die erste sowjetische Limousine. Ab 1937 sind damit die Männer der Staatssicherheit, die so genannten „Tschekisten“ gefahren. Sobald sie in einer Siedlung oder Mehrfamilienhaus in den späteren Nachtstunden anrückten, wusste Jeder, dass dort jemand verhaftet werden sollte. Damit war oft das Glück einer weiteren Familie von diesem Zeitpunkt an zu Ende. Der Wagen hatte auch einen Spitznamen „Tschornaja Vorona“, zu Deutsch „Der schwarze Rabe“. Das Auto ist mit offizieller Genehmigung vom amerikanischen Ford M-40 nachgebaut. „In den USA sind mit diesen Fahrzeugen die Gangster gefahren. In der UdSSR dagegen die „Tschekisten“. Zwischen den beiden gibt es aber eigentlich gar keinen Unterschied. Obwohl mit Gangstern konnte man noch verhandeln, mit sowjetischen Sicherheitsleuten aber nicht“, berichtet Rezo. Der „M 1“ war ein Dienstwagen von Lawrentyi Beria (Aut. einer der einflussreichsten und berüchtigtsten, hochrangigen Politiker an Stalin’s Hof). Als Beria der Chef der sowjetischen Staatlichen Sicherheitsdienst NKWD (rus. НКВД) wurde, ist mit seinem ehemaligen Dienstwagen die berühmte Schauspielerin Nato Vatschnadze gefahren. Das Auto kann nicht sprechen, aber versteht alles“, sagt lächelnd der Direktor. Der schwarze Tschaika GAZ-13 gehörte dem georgischen Patriarchen Ilia II, als er 1977 zum höchsten Hierarchen der Georgischen Orthodoxen Kirche geworden ist. Das nächste Fahrzeug auf unserem Rundgang ist ein GAZ-14. Er war der Dienstwagen von Eduard Schewardnandze, dem damaligen kommunistischen Parteichef Georgiens, bevor er von Michail Gorbatschow zum Außenminister der UdSSR nach Moskau bestellt wurde. Daneben steht der Dienstwagen von seinem Vorgänger, Vasil Mzhavanadze- ein ZIM GAZ 12. Vor zwei Wochen hat das Museum eines der letzten Modelle des Zaporozhias Autowerk, ukrainischen „Tavria Zaporozhets“ angekauft.
Chaika, Pobeda, Volga GAZ 21 (v.l.) Der blaue Moskvich soll umgeparkt werden WAZ 2101 (Mitte) ZIM, der Elitenwagen der fruehen UdSSR
Rezo Cheishvili hat seinen Job im Automuseum in 2017 übernommen. Die Hauptaufgabe war es den Alltag des Museums irgendwie im Bewegung zu bringen, zu organisieren und es weiter zu entwickeln. Rezo war dafür erfahren genug. Zusätzlich macht der ehemalige Leiter der Galerie Karvasla des Staatlichen Museums der Geschichte, die Führungen im durch das Automuseum. Er mag die Oldies und besitzt selber einen alten Opel, der fürs Museum nicht geeignet ist. Der Fokus des Museums liegt auf der Gescichte. Die nächste Generation muss wissen, mit welchen Autos ihre Vorfahren gefahren sind, sagt der Direktor: Damals war es gefährlich die ausländischen Fahrzeuge zu besitzen. Schnell stand der Staatsanwalt vor der Tür. Das Auto war weg und der Besitzer wanderte ins Gefängnis. Daher hat jeder versucht lieber die einheimischen Fahrzeuge zu kaufen. Die Besucher des Museums können hier sehr viele sowjetische Fahrzeuge sehen. Es gibt Schulfahrten, wir vermieten auch für Hochzeitsfeiern oder Dreharbeiten für Film und Fernsehen. Letztes Jahr haben verschiedene Reisebüros mehrere Autos für Touristen gebucht. Aber die Fahrzeuge werden nur mit Fahrer vermietet, erzählt der Chef des Museums lächelnd. Rezo führt mich zum „Pobeda“ GAZ 20 (russ. Sieg/Победа) begleitet. Das Auto ist Baujahr 1948. Laut Rezo, als das Fahrzeug noch als „Heimat“ (russ. Rodina/Родина) Josef Stalin vorgestellt worden ist, hat er gleich gefragt, für welchen Preis die Autobauer die „Heimat“ verkauft hätten. Aus Angst vor Repressionen wurde aus der „Heimat“ dann später das Modell „Sieg“.
Kopien westlicher Fahrzeuge
Der Direktor hat auch seinen eigenen Favoriten. Genau wie Giorgi, dem Besitzer, mag auch Rezo den GAZ 4 am liebsten. Rezo erzählt, daß es nur 2 offiziell lizensierte Kopien in der UdSSR gab. Den GAZ 4 Pickup und den GAZ M1. Die Sowjets haben dann noch den VAZ 2101 als Lizenzbau des FIAT 124 ganz legal gebaut. Der Rest sind alles Raubkopien. Interessanter Weise, wie mein Protagonist betonte, haben die sowjetische Autobauer für Zivilisten ausschließlich europäische Autos kopiert, aber für die eigenen Angestellten haben sie die amerikanischen Fahrzeuge nachgebaut. Zum Beispiel sind die beiden Volgas, GAZ 21 und GAZ 24, Kopien vom damaligen Ford Malibu und Mainline. Pobeda orientierte sich am Chevrolet Fleetline Aerosedan. Die frühe Chaika wurde auf der Basis des Packard Carribean entworfen. Der spätere Chaika ist eine Mischung von Lincoln und Mercedes, klärt mich der Leiter des Museums auf.
Das Automuseum Tbilisi wird bald noch grösser. Es werden neue Exponaten angekauft und dafür wird noch mehr Platz gebraucht. Direktor Rezo Cheishvili und der Inhaber, Giorgi Mamulashvili arbeiten hart daran, das Automuseum Tbilisi zu einer touristischen Attraktion umzuwandeln. Es gibt mehr als genug Kapazitäten dafür. Sie brauchen nur den guten Willen der Stadtverwaltung und somit die Unterstützung, damit der Museum in Zukunft die internationale Maßstäbe erreicht. Ich ging begeistert nach Hause und beim laufen in der Hitze auf der unbefestigten Gasse fiel mir plötzlich ein bekanntes Witz von ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan ein. Demnach, sollte man jahrelang in der Schlange stehen, um in der UdSSR einen Neuwagen kaufen zu können. Der Mann geht zum Autohaus, bezahlt seine Anzahlung und ihm wird mitgeteilt, dass er sein Fahrzeug erst in zehn Jahre abholen kann. Der Kunde hat daraufhin gefragt, ob er Vormittags oder Nachmittags kommen solle. Die Verkäuferin sagte überfordert, es ist doch egal wann, Sie sollen in zehn Jahre vorbeischauen. Nein, das ist nicht egal, sagte der schüchterne Käufer weil Vormittags der Klempner kommt.
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